Die „Schwarze Sonne“ – auf dänisch Sort Sol – ist eines der größten Naturschauspiele Dänemarks. Im Frühjahr und im Herbst ziehen riesige Zugvogelschwärme über das Land. Unterwegs zwischen ihrem Winterquartier im Süden und ihren Brutgebieten in Nordeuropa legen sie unglaublich große Strecken zurück. Hier am Wattenmeer rasten viele Zugvögel für bis zu zwei Monate und futtern sich in den Salzwiesen Reserven für ihre Reise an. Besondere Berühmtheit haben die unglaublich großen Starenschwärme erlangt: Bevor sie sich im dänischen Marschland für die Nacht niederlassen, versammeln sich hunderttausende Stare und verdunkeln mit ihren bizarren Flugformationen die untergehende Sonne.
Die Schwarze Sonne an der dänischen Nordseeküste
Es ist Ende September als ich gemeinsam mit meinen Eltern zwei Wochen auf der dänischen Nordseeinsel Rømø verbringe. Der Herbst ist ideal für lange Strandspaziergänge. Und die Herbstsonne strahlt vom Himmel, wärmt tagsüber sogar noch richtig schön. Es ist die Zeit der „Schwarzen Sonne“ und ich möchte mir dieses Naturspektakel nicht entgehen lassen. Denn hier im Südwesten von Jütland rund um Rømø, Tønder, Ribe, Esbjerg sowie in Nordfriesland kann man das Luftballet der Stare am besten beobachten.
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Geführte Touren zur Sort Sol
Doch wo genau findet man die Plätze in den Marschwiesen, wo sich die Stare versammeln? Denn die wechseln ihre Zuflucht für die Nacht häufig, um den Raubvögeln nicht zum Opfer zu fallen. Wenn Du auf eigene Faust Dein Glück versuchen willst, um nach der Schwarzen Sonne zu suchen, lohnt sich ein Besuch bei der Touristeninfo im Urlaubsort. Dort kann man Dir sicher wertvolle Tipps geben.
Oder Du schließt Dich einer Sort Sol Führung an, beispielsweise von Sort Safari oder vom Wattenmeerzentrum. Buchen kannst Du online oder eben auch in der Touristeninfo. Der Vorteil: Auch wenn es natürlich keine Garantie gibt, aber die Naturführer kennen die Schlafplätze der Stare. Und noch dazu bekommst Du jede Menge interessante Infos über die Zugvögel und die Region.
Sort Sol in den Marschen bei Tønder
Treffpunkt für die Sort Sol Tour ist das Freizeitzentrum in Skaerbaek. Hier steigen wir vom eigenen Auto in einen Bus um, der uns zur Schwarzen Sonne bringen soll. Wir fahren Richtung Tønder, über Landstraßen geht es durch grüne Wiesen und Felder. Die Fahrt zieht sich und dauert länger als gedacht. Schließlich steuert unser Bus einen Parkplatz irgendwo in der Nähe von Tønder an.
Auf der Suche…
Jeder bekommt eine Sitzunterlage in die Hand gedrückt, dann geht es auch schon los, der tief stehenden Sonne entgegen: Im Gänsemarsch stapfen wir den Deich entlang. Das Gras ist nass, der Boden noch nässer. Bei jedem Schritt gibt der matschige Untergrund ein sattes Schmatzen von sich. Gummistiefel oder zumindest hohe Wanderschuhe sind nicht die schlechteste Idee…
Ein Plätzchen am Deich
Es dauert nicht lange, bis wir unser Ziel erreichen. Unser Guide erklärt uns, wie wir uns auf der vom Meer abgewandten Seite des Deichs hinsetzen sollen, so dass uns die Stare nicht wahrnehmen. Das heißt die Vogelschwärme werden von hinten herangeflogen kommen und über unsere Köpfe hinweg fliegen. Direkt vor uns liegen die Marschwiesen, wo die Stare sich ihren Platz für die Nacht suchen werden.
Jetzt sind wir extrem froh um unsere Sitzmatten, die uns vor einem nassen und kühlen Hintern bewahren! Einige der dänischen Vogelbeobachter-Profis packen ihren Proviant aus und machen es sich mit belegten Broten, Keksen und heißem Tee aus der Thermoskanne gemütlich. Außer unserer Gruppe ist niemand am Deich. Doch auf der anderen Seite der Marsch ist ein Parkplatz, auf dem sich Autos und Naturbeobachter drängen, und ebenfalls auf das Sort Sol Himmelsballett warten.
Und dann sind sie plötzlich da: Die Stare des Abends!
Während der Naturführer über den Zug der Stare berichtet, Informatives und Geschichten zum Besten gibt, wandern die Blicke immer wieder hoch zum blauen Himmel über Tønder. Nein, noch nichts zu sehen… Da die Gruppe bis auf uns drei aus Dänemark stammt, gibt es die Langversion der Erklärungen auf Dänisch und wir bekommen freundlicherweise nochmal eine deutsche Zusammenfassung. Die Sonne nähert sich allmählich der Deichkuppe, es wird ganz schön frisch.
Da, was ist das? Ein paar Mal ist es falscher Alarm, kleine Gruppen anderer Zugvögel fliegen hoch über die Marsch hinweg. Die Spannung steigt und steigt.
Es geht ein Raunen durch die Gruppe, die Hälse renken sich zum Himmel. Und dann sind die Stare da: Erst eine kleinere Gruppe, danach eine Weile nichts. Endlich ein größerer Schwarm. Geflüsterte „Ahs“ und „Ohs“.
Sort Sol: Das Starenballett
Mit etwas Glück kann man hier in der Tønder-Marsch bis zu einer Million Stare bei ihrem abendlichen Zubettgeh-Ritual zu sehen bekommen. So viele sind es an diesem Abend nicht, doch mehrere große Schwärme ziehen über unsere Sitzplätze am Deich hinweg. Mehr als 200.000 Stare, so schätzt später unser Vogelsafari-Guide.
In einer großen, dunklen Wolke fliegen sie heran. Tausende von kleinen Flügeln rauschen, die Flügelschläge sind deutlich zu hören. Die Wolke bewegt sich, mal wird sie größer, dann wieder kleiner. Die Vögel scheinen für einen Moment am Himmel zu tanzen. Schnell sinken sie immer niedriger auf das vor uns liegende Feuchtgebiet herunter, wo sie sich ihren Schlafplatz im Schilfgras suchen. Dabei teilen sich bis zu 15 Stare einen Grashalm, geschlafen wird dicht an dicht. Quasi übereinander geschichtet, um sich so vor Feinden zu schützen.
Die ganz großen Flugmanöver und spektakulären Kapriolen des Luftballets fehlen an diesem Abend aber. Diese vollführen die Stare nämlich, wenn ihnen ein Greifvogel auf den Fersen ist (Haben Vögel Fersen?!). Und heute abend scheint es friedlich zu sein…
Sonnenuntergang hinterm Wattenmeer
Viel zu schnell ist alles vorbei. Die Stare haben sich im hohen Gras der Tønder Marsch niedergelassen und sind bereit für die Nacht. Mittlerweile hat sich die Kälte durch die Klamotten gefressen, ich beginne zu zittern. Doch wir halten noch ein bisschen aus, schließlich wollen wir den Sonnenuntergang über dem Deich nicht verpassen. Langsam schieben sich Wolken vor die Sonne, die als glutroter Feuerball den Deich küsst. Einfach wunderschön!
In der Dämmerung tasten wir uns auf dem rutschigen Grasboden wieder zurück zu unserem Bus. Es herrscht andächtige Stille, erst kurz bevor wir den Bus erreichen, weicht die Ruhe wieder leisen Gesprächen. Das Starenballett hat offensichtlich Eindruck hinterlassen.
Noch mehr Zugvögel, die der dänischen Küste einen Besuch abstatten…
Die Sort Sol ist nicht das einzige durch Zugvögel verursachte Naturphänomen an Dänemarks Nordseeküste. Außer der „Schwarzen Sonne“ gibt es auch noch die „Graue Sonne“ und die „Weiße Sonne“ zu bestaunen. Wie gerne würde ich auch diese beiden Naturschauspiele einmal erleben:
Grå Sol – Die Graue Sonne
Mit der Grauen Sonne sind riesige Schwärme von Gänsen gemeint, die auf ihrem Vogelzug im Frühjahr und Herbst einen Zwischenstopp in Südjütland einlegen. Graugänse aus ganz Skandinavien kommen ans Wattenmeer, weil sie hier Futter finden. In milden Wintern bleiben manche Graugänse sogar in Dänemark, während andere in den Süden weiterziehen. Eine weitere Gänseart sind die Nonnengänse oder Weißwangengänse. Von den arktischen Gebieten Russlands kommen sie ans Wattenmeer, um sich ordentlich Speck anzufuttern. Ein ganz schönes Spektakel, wenn Zehntausende Gänse schnatternd und lärmend ihre Futtersuche unterbrechen und in den Himmel steigen.
Hvid Sol – Die Weiße Sonne
Hinter dem Begriff der Weißen Sonne verbergen sich große Schwärme von mehreren tausend nordischen Singschwänen, die sich im Winter sammeln und singend und tanzend Ausschau nach einem Partner halten. Im März ziehen die Schwäne wieder in ihre arktischen Brutgebiete.
Mein Check: Pro & Contra
Die Schwarze Sonne zu sehen, ist wirklich ein einmaliges und faszinierendes Erlebnis.
Ob Du dieses Naturschauspiel in seiner vollen Pracht erleben kannst, ist natürlich Glückssache: Spielt das Wetter mit? Ist der Sonnenuntergang einer wie aus dem Bilderbuch? Treffen die Stare ein und vollziehen sie ihre spektakuläre Flugschau?
Hast Du schon mal ein solches Naturschauspiel miterleben dürfen? Oder vielleicht warst Du schon selbst auf der Suche nach der Sort Sol, der Schwarzen Sonne? Ich freu mich auf Deinen Kommentar!
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[…] sich hier grosse Schwärme von Staren zur Nacht und bilden dann beim Auffliegen die schwarze Sonne, die Sort Sol. In den Morgen- und Abendstunden soll es sogar gute Möglichkeiten geben, hier Fischotter zu […]
[…] auf Motivjagd zu gehen. Oft sind auch echte Geheimtipps dabei, wie „Escape von Reality“ HIER zeigt. Oder hättet Ihr gedacht, dass sich in Dänemark solch faszinierende Schauspiele zeigen? […]
[…] berichtet auf ihrer Webseite escape-from-reality.de von ihrer Suche nach der Sort Sol. Den Ausdruck hörte ich damit auch zum ersten Mal. Darum möchte ich euch den Artikel empfehlen. […]
Cool! Sort Sol habe ich eben zum ersten Mal gehört / gelesen! Und in Dänemark vor zwei Wochen auch schon eine kleine erlebt! Früher waren die großen Starenschwärme auch bei uns noch zu sehen.
Was für ein tolles Erlebnis! Seitdem ich Videos gesehen haben von dieser „schwarzen Sonne“, möchte ich das auch mal so gern in live sehen. Danke für den Tipp mit der Tour, hört sich gut an!
Ich fand das auch megaschön! Auch wenn wir laut Guide leider nicht einen der ganz großen Starenschwärme miterleben konnten. Teilweise sollen das noch deutlich mehr sein…
[…] Der Besuch macht mir vor allem bewusst, wie bedauerlich es ist, dass zu meiner Reisezeit keine Zugvögel unterwegs sind. Hier in der Gegend gibt es das Phänomen der schwarzen Sonne. Wenn die Zugvögel am Himmel kreisen. Reisebloggerin Marion von Escape from Reality hat das schon erlebt und erzählt davon: „Sort Sol: Auf der Suche nach der Schwarzen Sonne Dänemarks“. […]
[…] Biologie. Am Sonntag ist Hindemade/Haderlslev Dyrepark ist eine gute Idee, aber auch ‚Sort sol‚ steht auf dem Wunschzettel. Eventuell böte sich aber auch der Freitag Nachmittag zuvor […]
Hallo Marion – danke für dieses beeindruckende Naturschauspiel. jeder von uns kennt das und schaut zum Himmel wenn sich Schwäne oder Gänse am Himmel fortbewegen. Besonders hat mir gefallen, dass du mein Allgemeinwissen aufgefrischt hast, wußte bisher nichts von diesen Sonnennamen aus Dänemark. Und die Bilder sind traumhaft. Liebe Grüße Ralf
Liebe Marion,
mein Gott, was für schöne Bilder und welch beeindruckendes Schauspiel.
Bis eben wusste ich noch gar nichts von der ,,Schwarzen Sonne“. Danke, dass du uns mit auf deine Reise genommen und uns deine Eindrücke geschildert hast.
Viele liebe Grüsse
Kathi
Wow, mir geht’s wie den anderen – die Fotos der schwarzen Sonne sind beeindruckend. So etwas habe ich noch nie gesehen! Danke für den Tipp.
Rømø, Ribe usw. – da war ich früher auch mit meinen Eltern, lange her, aber schön entspannend. Eher im Sommer allerdings. In Rømø war ich vor ein paar Jahren mal wieder und habe eine dänische Freundin getroffen. Da habe ich es doch glatt geschafft, mit dem Auto im Sand stecken zu bleiben… 😉
Faszinierende Bilder und Geschichte! Ich habe diese Entdeckung sehr genossen, danke 🙂 Jetzt will ich dahin!
Hallo Marion,
wunderschöne Bilder! Ich war schon öfters quasi gegenüber von Romo auf Sylt. Dort gibt es ebenfalls ein Vogel-Schutzgebiet. Schon einige Male hatte ich das Glück Zugvögel dort beobachten zu können. Doch konnte ich dies noch nie so großartig auf Fotos festhalten wie Du! Toll gemacht!
Herzlichst
Sabine
Hallo Marion, wow, war das erste , dass mir da jetzt durch den Kopf ging. Wirklich beeindruckend, auch , dass du diese Schwärme festhalten konntest. Sogar der Sonnenuntergang ist besonders schön. Liebe Grüße, Claudia
Hi Marion,
ein beeindruckendes Schauspiel! Ich war ja schon oft auf Rømø, leider aber nie zu der Zeit der Schwarzen Sonne. Ich werde das bei meinem nächsten Aufenthalt nachholen.
Schön, dass du gleich die Links zu den Orgas gepostet hast, die die Führungen anbieten.
Beste Grüße
Wolfgang
Ich wusste gar nicht das man dieses Naturschauspiel so nennt, geschweige denn, dass es auch die graue und weiße Sonne gibt. Aber deine Fotos und dein Artikel sind so schön, dass man es auch gerne sofort sehen würde. Gerade weil man so viel Glück braucht, um es wirklich zu sehen, finde ich, ist es etwas ganz besonderes. Was für eine Kamera hast du benutzt, um so gute Fotos von dem Sonnenuntergang zu machen?
Hallo Marion,
ein wundervolles Schauspiel, bei dem man beim Lesen regelrecht mit fiebert, ob und wie viel Stare ihr nun zu Gesicht bekommt. Ich kann mir vorstellen, dass der Anblick beeindruckend, vielleicht sogar ein wenig beängstigend ist. Ich musste unweigerlich an Hitchcocks „Die Vögel“ und Stephen Kings „Stark – The Dark Half“ denken 😀 Auf jeden Fall scheint das Schauspiel sehr sehenswert zu sein und ich werde es mir mal merken. Danke für den tollen Bericht.
Lieber Gruß,
Bine